
Das fehlende Glied – Hand in Hand Parenting
Glücklicherweise existieren heute zahlreiche Methoden und Herangehensweisen, die als Alternative zum (nicht ganz so alten) “Strafe-und-Belohnung”-Erziehungsansatz dienen, den frühere Generationen in guter Absicht und mangels anderer Modelle angewandt haben. Dazu gehören Ansätze wie gewaltfreie Kommunikation, emotionales Intelligenz-Training und Attachment Parenting.
Aber als engagierte Eltern haben wir festgestellt, dass obwohl diese Methoden grösstenteils wirksam sind, sie nicht immer die erhofften Ergebnisse bringen. Wir fühlen uns oft machtlos und verzweifelt. Egal, wie oft wir einem dreijährigen Kind im Laden sagen: “Ich sehe doch, dass du sehr wütend bist“, die Wutausbrüche gehen weiter, und unabhängig davon, wie sehr wir uns bemühen, unseren unruhigen Achtjährigen dazu zu bringen, tief durchzuatmen, er zappelt weiter. Wir werden immer angespannter und nervöser, bis wir kaum noch atmen können und vergeblich sagen: “Wenn ich das sehe… Ich fühle das…“. Stattdessen ertappen wir uns dabei, wieder zu schreien.
Die Wahrheit ist, dass es nicht viel anders sein kann. Es gibt Erkenntnisse über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und der Emotionen, die noch nicht ausreichend verstanden sind und daher nicht in diese ansonsten hervorragenden und sehr nützlichen Methoden integriert werden konnten.
Das Beeindruckende an der Gründerin von Hand in Hand Parenting, Patty Wipfler, ist, dass sie all das, was die wissenschaftliche Forschung in den Bereichen Psychologie und Hirnforschung heute behauptet, aus ihrer eigenen Erfahrung zusammengetragen hat – durch die Beobachtung zahlreicher Kinder, sich selbst und anderer Erwachsener. Aus Tausenden von Stunden der Präsenz, Beobachtung und Experimentation hat sie einen unbestrittenen Ansatz und eine Praxis entwickelt, die nun das Leben von Zehntausenden von Familien weltweit verändert. Sie hilft nicht nur uns Eltern, sondern auch unseren Kindern, das Familienleben nicht nur zu überleben, sondern zu einem Leben zu gestalten, in dem es wirklich um die Freude an der Verbindung, den Fluss der Liebe und das “Geniessen” des anderen geht.
All dies funktioniert, weil Hand in Hand Parenting das “fehlende Glied” in drei Bereichen des Wissens über Kinder und Elternschaft darstellt:
- Die Methode vermittelt uns praktische Mittel, um unsere “edlen Ideale” in die Praxis umzusetzen. Auf diese Weise können unsere Handlungen tatsächlich die Werte wiederspiegeln an die wir glauben.
Alle Eltern lieben ihre Kinder und wollen das Beste für sie. Eine neue Generation ist herangewachsen, die ihre Kinder bewusst in einem Geist der Akzeptanz, bedingungslosen Liebe, Verbundenheit und Wärme erziehen möchte. Wir verstehen, wie entscheidend es für Kinder ist, sich gesehen und verstanden zu fühlen, ihre Gefühle ausdrücken zu können und Fehler machen zu dürfen. Und dann befinden wir uns in einer Situation, in der das Kind mit uns anschreit, seinen jüngeren Bruder oder seine jüngere Schwester schlägt, spuckt oder auf der Strasse randaliert, um ein weiteres Stück Kaugummi zu ergattern. Plötzlich haben wir keine Ahnung mehr, wie eine warme, akzeptierende, liebevolle Erziehung aussehen soll. Wir werden oft von unseren Gefühlen überwältigt, suchen manchmal vergeblich nach der grossen Mutter-Vater-Liebe und sagen und tun Dinge, die dem genauen Gegenteil von den Werten entsprechen, an die wir zutiefst glauben.
Hand in Hand Parenting konzentriert sich nicht auf das Verhalten des Kindes, sondern darauf, was es braucht, um sich zu verbessern und sein Verhalten zu verändern. Es bietet praktische Lösungen für solche Situationen die dazu führen, dass Eltern und Kind nachdem die “Krise” vorüber ist, keine Wut oder Schuldgefühle hegen, sondern sich stattdessen einander näher fühlen.
Wenn wir verstehen, dass unser Kind im Kern ein gutes Kind ist und dass, wenn wir sein Verhalten nicht als solches interpretieren, es mit Sicherheit in einem emotionalen Wirrwarr steckt, aus dem wir ihm helfen können – dann werden diese Situationen plötzlich recht unkompliziert: “Ist das Kind schlecht?” “Auf keinen Fall!” Lass uns mit ihm in Kontakt treten, sei es durch Spielen oder durch unserer Anwesenheit, und es wird ihm besser gehen!
- Der zweite Aspekt ist, dass es grundlegende Einblicke in die Funktionsweise menschlicher Emotionen vermittelt, die neues Licht auf viele Erziehungssituationen (und andere) werfen und einfache Lösungen bereitstellen.
Zwar ist das richtig, aber in emotional aufgeladenen Situationen bemerken wir oft, dass der Versuch zu kuscheln oder Witze zu machen, um das Kind aufzumuntern nur Öl ins Feuer giesst: Das Kind wird noch wütender. Und hier ist eine entscheidende Information, die vielen von uns heute fehlt. Und zwar, dass, wenn dies geschieht, im Grunde nichts anderes passiert, als dass das Kind (oder auch der Erwachsene – “hysterische” Mütter verstehen dies vielleicht besser) den natürlichen Heilungsprozess nutzt, mit dem wir alle auf die Welt kommen. Es nutzt die Spannung und den Stressabbau, die das Weinen und die Wutanfälle mit sich bringen.
Wenn wir nicht verstehen, dass der Wutanfall und das Weinen tatsächlich gut sind, ein Weg zur Heilung, dann könnten wir aus besten Absichten heraus – oder weil wir das Gefühl haben, innerhalb von Sekunden zu explodieren – alles versuchen, unser Kind zum Schweigen zu bringen. Das Kind lernt, dass Weinen nicht in Ordnung ist, und die aufgestaute Spannung äussert sich in Zurückgezogenheit, Aggressivität, Jammern oder anderen “inakzeptablen” Verhaltensweisen.
Aber wenn wir erkennen, dass in einer emotional herausfordernden Situation – nachdem wir einfach die notwendigen Grenzen gesetzt haben, was ein klares “Nein” und das Beenden des “blindwütigen Verhaltens” erfordert – es ausreicht, bei dem Kind zu bleiben und seine Emotionen durchleben zu lassen, sei es Weinen, Wut oder das Zittern vor Angst, und ihm zuzuhören, werden sich diese beängstigenden Gefühle bald auflösen, und verwandeln. (Nur wir bleiben da, schwitzend von dem, was wir erlebt haben…)
(Als zusätzlicher Tipp und zur Ermutigung: Lachen ist ebenfalls ein hervorragendes Mittel zur Spannungsreduzierung, und es gibt nichts, was zwei Menschen so schnell zusammenbringt. Folge dem Kichern, höre aufmerksam zu, worüber das Kind lacht, und teile diese Freude, worüber auch immer es sich handelt. Das tut beiden gut.)
Das Weinen und die Wutanfälle sind weitaus intensiver, als es sich anhört. Manche Menschen sind bereits nach 20 Sekunden völlig erschöpft und geraten in eine derart stressige Situation, dass sie psychologische Erste Hilfe benötigen. Das ist nicht unsere Schuld! Die Art und Weise, wie wir uns fühlen, ist in unserem Nervensystem verankert und widerspiegelt eine alte Geschichte. Zum Glück muss das nicht für immer so bleiben, denn wie Kinder, können wir auch sehr alte Spannungen loslassen.
Wenn wir uns in dieser 20-Sekunden-Kategorie befinden und jetzt verzweifelt denken: “Oh, was habe ich falsch gemacht, ich habe das Kind nicht ausatmen gelassen!” – beruhige Dich, Du hast nichts falsch gemacht. Wir sollten nicht von uns erwarten, dass wir uns den nächsten 40-minütigen Ausraster des Kindes anhören, während wir selbst an unsere Grenzen stossen. Wir sollten freundlich mit uns selbst sein, unser Bestes geben und stattdessen das aktuelle Märchenbuch auflegen oder dem Kind einen Lutscher geben.
Such Dir in der Zwischenzeit einen aufmerksamen, akzeptierenden, nicht verurteilenden Erwachsenen und erzähl ihm, wie es für Dich ist, wenn Dein Kind weint, wütet oder tobt. Du solltest unverblümt die Worte verwenden, die in Dir Schuldgefühle hervorrufen, wenn Du sie aussprichst. Erlaube Dir, Deine eigene Gefühle zu durchleben und zu spüren, wie die Situation für Dich ist. Mag es auf den ersten Blick auch merkwürdig erscheinen, aber indem wir all die Dinge äussern, die wir zuvor zurückgehalten haben, verschlimmern wir die Situation nicht, sondern nähern uns unserem Dasein als liebevolle Eltern sogar mehr. Diese “Ventilation” wird die gesamte Situation in einem neuen Licht erscheinen lassen, und wir werden die richtige Strategie finden, nachdem sich die intensiven Emotionen aufgelöst haben. (In Hand in Hand Parenting wird diese Art des gegenseitigen Zuhörens zwischen Eltern als “Listening Partnership” bezeichnet.)
Vielleicht ist dies das allerwichtigste Werkzeug von allen. Es ist, wie die Sauerstoffmaske im Flugzeug, die zuerst aufgesetzt werden muss.
Daher stellt das dritte fehlende Glied, die vernetzte Bildung dar:
- Es bedeutet, die Arbeit der Eltern zu würdigen und sie zu unterstützen. Es gibt den Eltern effektive, praktische Werkzeuge an die Hand, um die Spannungen in herausfordernden Lebenssituationen zu bewältigen und ihre eigenen Lösungen als die wahren Experten in den Leben ihrer Familien zu erkennen.
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